Energy Sharing: Modelle und Mehrwerte für Energieversorger und Teilnehmer

December 9, 2025
Anastasia V.

Energy Sharing entwickelt sich gerade zu einem starken Hebel, um über die Direktvermarktung neue Absatzmärkte für überschüssigen Strom aus Photovoltaik-Anlagen (PV) zu erschließen und attraktive Stromtarife für Stromverbraucher zu generieren. 

Auf der exnaton KONFERENZ 2025 hat Thies Stillahn, Senior Sales Manager bei exnaton, einen der bisher umfassendsten Einblicke gegeben, wie Energy Sharing die Energielandschaft in der DACH-Region verändern wird.

Hier fassen wir die wichtigsten Erläuterungen zusammen – von Markttrends über den Rechtsrahmen bis hin zu konkreten Umsetzungsmodellen und unseren Schlussfolgerungen für eine Skalierungsfähigkeit des Energy Sharings.

Warum Energy Sharing für Energieversorger immer wichtiger wird

Die Ausgangslage ist eindeutig: Die Zahl der negativen Strompreise steigt in Europa massiv.

  • Allein in Deutschland gab es bis August 2025 bereits über 400 Stunden mit negativen Preisen.
  • Bis 2032 werden je nach Analyse bis zu 1.300 Stunden erwartet – selbst im Szenario eines europaweit signifikanten Speicherzubaus von 175 GW (Quelle: enervis, Renewables Power Market Report 2025 Update).
  • Das bedeutet: Die Entwicklung wird sich weiter beschleunigen. In Zeiten negativer Preise bekommen Betreiber von PV- und Windanlagen oft keine Vergütung für ihren eingespeisten Strom.
  • Gleichzeitig sinken Einspeisetarife wie die geförderte Direktvermarktung nach dem EEG in Deutschland oder werden strukturell überarbeitet. So ist zeitnah mit einer weiteren Absenkung und stärkeren Marktintegration der Einspeisevergütung zu rechnen.
  • Das erzeugt Druck und bietet gleichzeitig Chancen: Anlagenbetreiber suchen neue Absatzkanäle für ihren überschüssigen PV-Strom, um die negativen Preise der Strombörse zu umgehen. Und für Stromverbraucher bietet sich dadurch die Gelegenheit sich langfristig günstige und garantierte Stromeinkaufspreise zu sichern. Da dies ausschließlich über Stromlieferanten geschehen kann, ergibt sich für Energieversorger sowohl in der Zielgruppe der  PV-Anlagenbetreiber wie auch in der Zielgruppe der Stromverbraucher eine Chance für neue Stromprodukte.
Quelle: enervis. Renewables Power Market Report 2025 update

Zu diesen neuen und vielversprechenden Ansätzen zählt das Energy Sharing. Für Geschäfts- und Privatkunden hat Energy Sharing eine ganze Reihe an Vorteilen:

  • Neuer Absatzmarkt für überschüssigen PV-Strom 
  • Erhöhung der Planbarkeit für Anlagenbetreiber und Verbraucher durch geringere Abhängigkeit von der volatilen Strombörse
  • Vielfalt an Tarifmodellen für Anlagenbetreiber und Stromverbraucher, je nach Präferenz von fixen, über zeitvariable bis zu dynamischen Tarifen
  • Erhöhung der Akzeptanz für PV- und Windkraftanlagen, insbesondere regional
  • Transparenz durch Echtzeit-Visualisierungen und die Anzeige von Kosten und Vergütungen. Für Energieversorger ein starkes Argument für neue Formate der Kundenbegeisterung 
  • Chance für standardisierbare und gleichzeitig technisch vielfältige Umsetzungen. Zum Beispiel in Kombination mit Batteriespeichern, Elektroautos, Mieterstrom oder der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung, regional und überregional. 

Was ist Energy Sharing? Eine einfache Erklärung

Energy Sharing bezeichnet das gemeinschaftliche Teilen von lokalem oder überregional erzeugtem Strom unter mehreren Teilnehmern im öffentlichen Stromnetz.

Typische Merkmale:

  • Je nach nationalem Recht als Bilanzkreis- oder Teilversorgungsmodell 
  • Erneuerbarer Strom wird innerhalb der Energy Sharing Gemeinschaft geteilt, überschüssiger Strom wird an der Strombörse vermarktet oder von anderen Abnehmern konsumiert
  • Reststrom kommt vom Energy-Sharing-Versorger oder frei gewählten Lieferanten
  • Vergütung des Überschussstroms und des in der Energy Sharing Gemeinschaft abgesetzten Stroms über einen fixen, zeitvariablen oder dynamischen Preis 
  • Tarifierung des Bezugs in der Energy Sharing Gemeinschaft und des Bezug des Reststroms über einen fixen, zeitvariablen oder dynamischen börsenorientierten Preis
  • Smart Meter Daten sorgen für eine exakte Allokation der Energiemengen auf Viertelstundenebene 
  • Verbraucher:innen können Flexibilitäten bereitstellen, wenn Preisanreize stimmen

Wo Europa heute im DACH-Gebiet steht

Österreich – der am weitesten entwickelte Markt

  • Über 160.000 Zählpunkte in Energiegemeinschaften
  • Aufteilung auf überregionale Bürgerenergiegemeinschaften und regionale Energiegemeinschaften
  • Smart-Meter-Abdeckung regional unterschiedlich, bis zu 95 %
  • Bis zu 57 % Reduktion der Netzentgelte in lokalen EEGs
  • Niedrige PV-Einspeisetarife erhöhen die Attraktivität des Sharings zusätzlich
  • Umsetzung über über EDA-Portal
  • Ca. Hälfte der Teilnehmer über Utility Service Provider Angebote
  • Je nach Ausgang der Gesetzesnovellierung bald auch Industriekunden auf lokaler Ebene und Peer-2-Peer Ansätze

Schweiz – Start zum 01.01.2026

Lokale Elektrizitätsgemeimschaften (LEGs) sind ein echter Paradigmenwechsel in der traditionell monopolgeprägten Schweiz.

  • Gesetzliche Einführung zum 1. Januar 2026
  • Communities innerhalb der Gemeinde- bzw. Stromnetzgrenzen
  • 20–40% geringere Netzentgelte
  • Smart Meter Verpflichtung
  • Reststromversorgung durch lokale Versorger

Deutschland – Energy Sharing ist jetzt auch gesetzlich verankert, Start ab Mitte 2026

Energy Sharing ist in Deutschland bereits im Rahmen von Bilanzkreismodellen möglich. Aufgrund der bislang noch dominierenden geförderten EEG-Einspeisevergütung und hoher Kosten in der Direktvermarktung wird Energy Sharing als Bilanzkreismodell bislang eher vereinzelt umgesetzt.

Als Teilversorgungsmodell mit eingeschränkten Lieferantenpflichten ist Energy Sharing in Deutschland seit November 2025 im Rahmen der Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) gesetzlich verankert (§42c EnWG) und soll ab Mitte 2026 verpflichtend umsetzbar sein.

Das Energy Sharing nach §42c EnWG erlaubt Betreibern erneuerbarer Anlagen ihren Strom mit anderen Letztverbrauchern über das öffentliche Netz zu teilen. Es handelt sich um eine Teilversorgung zusätzlich zur normalen Belieferung, die beim bisherigen Lieferanten bleibt. Start ist Stand heute der 1. Juni 2026 innerhalb desselben Verteilnetzgebiets, mit Erweiterung ab 2028 auch auf angrenzende Verteilnetzgebiete in derselben Regelzone.​ Im einzelnen:

  • Teilnehmer sind Anlagenbetreiber als natürliche Personen, öffentliche Einrichtungen sowie KMU; große Unternehmen sind grundsätzlich ausgeschlossen.​ Als Letztverbraucher sind hier Haushalte und kleinere Unternehmen, die Strom für den eigenen Bedarf beziehen; sie bleiben Kunde eines Grund- oder Wahlversorgers für den Restbedarf.​
  • Bei der Vertrags- und Abrechnungslogik braucht es einen Energy‑Sharing‑Vertrag zwischen Betreiber und Teilnehmenden mit einem Aufteilungsschlüssel (empfehlenswert sind dynamische Verteilungsschlüssel auf Viertelstundenebene) zur Zuweisung von Erzeugungsmengen.​ Der Verteilnetzbetreiber muss das Energy Sharing ermöglichen und kann hierzu operative Aufgaben an Dienstleister übertragen.​
  • Der Liefer- und Pflichtenrahmen ist bei der Teilversorgung so gestaltet, dass der Betreiber nur die geteilten Erzeugungsmengen liefert und nicht zur Vollversorgung verpflichtet ist; Reststrom kommt weiterhin vom gewählten Lieferanten.​ Die Betreiber sind von umfangreichen Lieferantenpflichten teilweise befreit, müssen aber Informationspflichten erfüllen und vertragliche Mindestinhalte sicherstellen.​

Energieversorger können über Bilanzkreismodelle heute bereits Energy Sharing umsetzen 

Im Folgenden geben wir eine kurze Übersicht über die verschiedenen Ausprägungsformen des Energy Sharings im so genannten Bilanzkreismodell abseits des §42c EnWG.

1. Energy Sharing für alle als Bilanzkreismodell

Der Energieversorger kann im Rahmen eines Direktvermarktungsmodells PV-Strom von Anlagenbetreibern aufkaufen und an Stromverbraucher liefern. Hierfür erhalten die Anlagenbetreiber eine fixe, dynamische oder zeitvariable Vergütung. Produzenten und Verbraucher werden in einem (Sub-)Bilanzkreis geführt.

Der Energieversorger organisiert als Vermarktungsdienstleister sowohl die Einspeisung und als Lieferant auch den Bezug und tritt neben der klassischen Versorgerrolle als Energy Sharing Dienstleister auf. Bei der Größe der Anlagenbetreiber und der Verbraucher gibt es eigentlich keine Grenzen, so dass auch ganz kleine Anlagenbetreiber oder kleine Haushalte teilnehmen können.

Idealerweise wird das Modell bei der Messinfrastruktur über intelligente Messsysteme oder, falls vorhanden, RLM-Zähler, umgesetzt und entsprechend als Lastgang bilanziert. Es ist jedoch auch möglich das Modell mit einer SLP-Bilanzierung umzusetzen. Das Modell kann regional wie auch überregional umgesetzt werden. Regional umgesetzt, z. B. durch ein Stadtwerk, kann es auch als Bürgerstromtarif 2.0 bezeichnet werden, indem z. B. größere PV- oder Windparks regional Endkunden mitbeliefern. 

2. Geschäftskunden Energy Sharing

Das Energy Sharing für Geschäftskunde mit mehreren Standorten wird ebenfalls als Bilanzkreismodell umgesetzt. Aufgrund des Energiemengenvolumens handelt es sich um die zurzeit attraktivste Variante des Energy Sharings. Die Geschäftskunden haben Standorte mit eigenen Erzeugungsanlagen und Standorte ohne Erzeugungsanlagen. Kern des Ansatzes ist, den überschüssigen Strom von den Standorten mit PV-Anlagen bilanziell an die Standorte ohne PV-Anlagen zu liefern. Diese Kunden beliefern sich also selbst, da sie den überschüssigen PV-Strom ansonsten immer häufiger ohne Vergütung an die Strombörse verlieren. Die Einspar-Hebeleffekte gegenüber einem fixen Stromeinkaufspreis können erheblich sein und zeigen sich insbesondere bei größeren Volumina. Als weitere Variante ist es auch denkbar, dass sich verschiedene Unternehmen mit ihrem überschüssigen PV-Strom untereinander beliefern. Die Tarifmodelle können, wie bei Geschäftskunden üblich, komplex sein und tragen der Verbrauchsstruktur Rechnung. Sie umfassen neben den PPAs zumeist horizontale oder vertikale langfristig beschaffte Tranchen mit fixen Preisen und für die Residuallast zusätzlich SPOT-Preis-Elemente.  

3. Kommunales Bilanzkreismodell

Auch diese Variante ist ein Bilanzkreismodell, das insbesondere in der kommunalen Energiewirtschaft von Interesse ist. Es hat die gleichen energiewirtschaftlichen Eigenschaften wie die soeben vorgestellten Modelle, fokussiert sich jedoch auf kommunale Verbraucher und Produzenten. Dabei geht es im Kern darum, überschüssigen Strom von einer kommunalen Einrichtung (z. B. Bauhof) zu einer anderen kommunalen Einrichtung ohne Erzeugungsanlage (z. B. Schwimmbad oder Kindergarten) zu verteilen. 

5. Bürgerbeteiligung

Bürgerbeteiligung beim Energy Sharing bedeutet, dass Privatpersonen und lokale Gemeinschaften aktiv an der Erzeugung, Nutzung und Verteilung von erneuerbarem Strom beteiligt sind. Hier ist die Kapitalbeteiligung gemeint. Neben dem gemeinschaftlichen Teilen des lokalen Ökostroms haben Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, selbst Teil der Energiewende zu werden, identifizieren sich umso mehr mit ihrem Versorgungsmodell und profitieren im Idealfall auch von etwas günstigerem, regional erzeugtem Strom.

6. Peer-to-Peer Sharing

Peer-to-Peer (P2P) Energy Sharing ist ebenso eine Variante eines Bilanzkreismodells. Es beschreibt den direkten bilateralen Austausch oder Handel von erneuerbarem Strom zwischen individuellen Erzeugern (z. B. PV-Betreibern) und Verbrauchern. Organisiert wird das Modell über einen Marktplatz mit einem klassischen Lieferant, der als Intermediär agiert. Er organisiert die Direktvermarktung des gehandelten und überschüssigen Stroms und die Belieferung der Marktplatz-Teilnehmer. Die Zuordnung der Teilnehmer erfolgt bilanziell über das öffentliche Netz, basierend auf Verträgen mit festen Bedingungen für Erzeugung, Verbrauch und Abrechnung. Der Vorteil dieses Modells ist eine hohe Automatisierbarkeit. Prozessual ist besonders interessant, dass Verbraucher den Produzenten wechseln können, ohne dass ein energiewirtschaftlicher formeller Lieferantenwechselprozess erforderlich ist. Auch die hierarchisch strukturierte Mehrfachbelieferung ist möglich. 

Mit exnaton wird für Energieversorger jedes Energy Sharing Modell leicht gemacht

Mit der Intelligence Plattform von exnaton können Energieversorger jedes der vorgestellten Energy Sharing Modelle innerhalb kürzester Zeit testen und in den Markt einführen.

Stammdaten und Onboarding

  • Übertragung der Stammdaten per API oder csv an das exnaton Backoffice und Anlegen von Energy Sharing Gemeinschaften, auch direkt in exnaton möglich
  • Digitales Teilnehmer-Onboarding:
    • in Österreich direkt,
    • in Deutschland je nach Ausprägung der Netzzugangsplattform.

Energiemengenallokation

  • Viertelstündliche Energiemengenzuweisung über dynamische Verteilungsschlüssel.
  • Prognosen für Fahrpläne unterstützen das Portfoliomanagement.
  • Unterstützung aller denkbaren Tarifmodelle (fix, zeitvariabel, dynamisch, etc,).
  • Abbildung von Energy Sharing auch auf Basis von Standardlastprofilen als auch Echtzeitmesswerten.

Abrechnung über ihr Kernsystem

  • Erstellung von Abrechnungen als PDF oder Übergabe der Werte zur Weiterverarbeitung im ERP-System (so genannte billable items).

Transparente Visualisierung für Endkund:innen

  • Überblick über Eigenversorgung, Community-Beiträge und Verbrauchsprofile.
  • Darstellung von Tarifdetails, Einsparungen, Kosten und Vergütungen.
  • KI-basierte Prognose der zukünftigen Stromverfügbarkeit aus der Community.
  • Verständliche, KI-gestützte Erläuterung der Abrechnung mit praktischen Empfehlungen.

Integration steuerbarer Verbraucher & Echtzeit-Messwerte

  • Unterstützung von Echtzeitdaten über MSB-Schnittstellen oder optische Ausleseköpfe.
  • Anbindung an Smart Charging (Community Smart Charging) und HEMS über Preis-APIs.

Regulatorische Anschlussfähigkeit im DACH-Gebiet

  • Österreich: Energie­gemeinschaften gem. EAG.
  • Deutschland: Energy Sharing gemäß §42c EnWG und alle Bilanzkreismodelle für private, kommunale und industrielle Kundensegmente.
  • Schweiz: Lokale Elektrizitätsgemeinschaften gem. StromVG (ab 2026).

Was braucht es, damit Energy Sharing wirklich skalieren kann?

Vereinfacht gesagt sind sechs zentrale Faktoren für den Erfolg des Energy Sharings essentiell:

  1. Smart Meter für alle – auch für kleine Verbraucher:innen
  2. Schnelles, unkompliziertes Onboarding wie bei heutigen Stromtarifen
  3. Geringe Kosten der Direktvermarktung
  4. Attraktive Preise, wettbewerbsfähig mit heutigen Stromtarifen
  5. Übergangsmodelle mit SLP-Bilanzierung, solange die Infrastruktur wächst
  6. Einfache regulatorische Rahmenbedingungen für alle

Fazit: Energy Sharing kann ein Standbein für moderne Energieversorger werden

Durch die Zunahme negativer Börsenstrompreise wird das Energy Sharing zunächst durch Anlagenbetreiber getrieben. Für Verbraucher erhöht sich die Attraktivität zusätzlich durch dynamische Netzentgelte oder Förderungen mit einer Reduktion der Netzentgelte. Unter diesen Voraussetzungen wird Energy Sharing ein: Standardprodukt in Europa.

Es bietet:

  • stabile PV-Erträge
  • geringere Preisrisiken
  • lokale Wertschöpfung
  • Flexibilitätsintegration
  • bessere Kundenbindung
  • neue Tarifmodelle

Versorger, die jetzt in digitale Tools und Prozesse investieren, bestimmen die Energieprodukte der nächsten zehn Jahre.

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